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Kultur- und Nachbarschaftszentrum

Für Sie dabei gewesen:

Vor einiger Zeit erhielt ich die Einladung, einen Dokumentarfilm im Charlottenburger „Filmkunst 66" unentgeltlich anzusehen. Sehr gespannt erwartete ich den Tag der Aufführung. Schließlich war es eine Produktion von Tanja Ziegler! Die Ankündigung versprach sehr anschaulich, was den Zuschauer erreichen soll. Nämlich die Dokumentation über die Familie Rapoport, die als deutsche Flüchtlinge in verschiedenen Ländern lebte, sich als junge Wissenschaftler in Cincinnati bei der Arbeit kennenlernten und nach langer Suche eine ideologische und politische Heimat fanden.

Beide fanden nicht nur im persönlichen Leben und Arbeitsumfeld Gemeinsamkeiten, sondern auch auf der politisch-ideologischen Ebene. Als die Hetzjagd auf die beiden politisch engagierten Wissenschaftler in den USA ausuferte, entschlossen sie sich 1950, in Europa eine neue Lebensexistenz aufzubauen. Über einen Zwischenaufenthalt in Österreich gelangten sie schließlich, durch den Ruf der Humboldt Universität, 1952 in die ehemalige DDR und fanden dort ihre ideologische Heimat. Eine nicht alltägliche Familiengeschichte mit Anerkennung und Würdigung der beruflichen Leistungen und ihre ungebrochene politische Haltung bis in die Gegenwart.

Tief bewegt verfolgte ich den anschaulich gestalteten Filmablauf. Besonders auch deshalb, weil Ingeborg Rapoport, in wenigen Monaten 100-jährig, als Ehrengast der Aufführung beiwohnte und beherzt im Gespräch mit Dr. Andrea Mehrländer, Tanja Ziegler, Sissi Hüetlin und Britta Wauer ihren Lebenswillen und politischen Standpunkt bestätigte. Ihre beruflichen Erfolge als angesehene ehemalige Kinderärztin wurden von ihr bescheiden verborgen. Vielmehr stellte sie während des live Interviews die Errungenschaften ihres Mannes in den Vordergrund.

Inge wusste schon vor der Hochzeit , dass es für Mitja immer Wichtigeres im Leben gab: „Erstens: Der Sozialismus, Zweitens: Die Wissenschaft und erst an dritter Stelle: Ich".

Ihr geliebter Ehemann Samuel Mitja Rapopport verstarb 2004. Er erlebte die besten Lebensjahre als ein bedeutender, deutscher, mehrfach promovierter Biochemiker in der DDR. Anfang der 40er Jahre entdeckte er die Möglichkeit, rote Blutkörperchen haltbar zu machen, in den USA. Eine wichtige Voraussetzung zur Erstellung für Blutkonserven. Dennoch wurde er wegen seiner offenen politischen Haltung von McCarthys' Tribunal verfolgt, obwohl er Träger der höchsten US-Amerikanischen Auszeichnung war.

Spontan flüchtete Inge Rapoport , hochschwanger, mit ihren drei Kindern in einer „Nacht und Nebelaktion" 1950 nach Wien, zu ihrem Mann. Mitja weilte dort zu einem Vortrag. Leider mussten sie erkennen, dass der lange Arm der US-Amerikaner auch dort ihr Leben bedrohte. Überraschenderweise bot 1952 die DDR der Familie Rapoport die helfende Hand. Beide konnten sich in ihr wissenschaftlich und politisch verwirklichen. Sie als Begründerin der Neugeborenenheilkunde der DDR und er als bedeutender Biochemiker unserer Zeit. Sie resümierten: „Lieber so als eine Mittelmäßigkeit im Leben".

Man sah ein Zeitzeugen-Dokument, unaufdringlich und sensibel, welches alle Fassetten des persönlichen Lebens und die Wirkungsorte ihres wissenschaftlichen Schaffens chronologisch aufzeigte und sehr gut in Szene setzte. Eine Fülle an historischen Filmdokumenten unterstreicht die Stationen ihres Lebensweges. Der Film eröffnet dem Betrachter auch den Einblick in eine große Liebes- und Lebensbeziehung zwischen zwei Menschen, genau so, als seien sie frisch verliebt.

Erika, Kultstral-Fan.