rudi-main

rudi logo100

das

Kultur- und Nachbarschaftszentrum

Das Jahr 2011

www.iris-henning.de, 17. Februar 2011

Fotografien mit Aura

Ulrich Eifler stellte „Erinnerungen und Einblicke“ in der Galerie im Kiez in Berlin

Von einer vielbeachteten Ausstellung in Berlin ist der in Oberdorla lebende Fotograf Ulrich Eifler zurück. Sechs Wochen lang stellte er einen Teil seiner Arbeiten in der Galerie im Kiez im Nachbarschaftszentrum „Rudi“ aus.

Von Iris Henning

BERLIN.

„Erinnerungen und Einblicke“ titelte Ulrich Eifler seine Personalausstellung. Und er traute sich was im reizüberfluteten Berlin – er kam mit auf den ersten Blick schlicht wirkenden Schwarzweiß-Bildern. Er zeigte Mütter mit ihren Töchtern, Bilder aus seinem jüngsten Kunst-in-Kirchen-Projekt, Arbeiterporträts und Widerstandskämpfer. So unterschiedlich die Botschaften in den Bildern auch sind, haben sie auch eines gemeinsam. Nicht nur, dass sie allesamt schwarzweiß sind. Ihnen haften eine seltsame, mitunter verloren wirkende Aura des Vergangenen an.

Das hat was mit der Arbeitsweise von Ulrich Eifler, dem einstigen Defa-Regisseur, zu tun. Sein Werkzeug ist keine digitale High-Tech-Kamera. Eifler arbeitet seit Jahren mit seiner mittlerweile betagten „Leica“ Er greift auch nicht in die jeweils entstandene Foto-Situation ein. Er verteilt lediglich kleine, dezente Anweisungen und wartet auf den Moment des Bildes, um kaum merklich den Auslöser zu drücken. Die Leica ist leise, klein, handlich und unaufdringlich. Und kein greller Blitz fährt in die Situation.

Diese sehr menschlichen Bilder kamen an im Kiez. „Eine Augenweide“, schwärmt Frank Zielske, der „Rudi“-Leiter. Diese Bilder seien sehr wohltuend gewesen in der wichtigtuerischen Aufgeblasenheit einer Großstadt. „Die Besucher haben vor den Bildern gestanden und deren Sinn verstanden und das war einfach großartig“, blickt Zielske mit Freude auf die Ausstellung zurück. Auch der Künstler werde ihm in guter Erinnerung bleiben. „Ein wunderbarer, glaubwürdiger Erzähler, sehr bodenständig, sehr wirklichkeitsnah“, lobt er den Mann aus Oberdorla.

Ergänzt wurden die Bilder durch kurze Dokumentarfilme von Eifler. Sie berichten über die Entstehung des Nationalparks Hainich, über Lebensläufe und über die politische Wende ebenso wie über die Arbeit und Freude eines bäuerlichen Schlachtfestes. „Sehr emotional, sehr bewegend“, zitiert Zielske aus dem Gästebuch.

Das liegt wohl vor allem an dem fotografischen und filmischen Festhalten von Menschen-Gesichtern. Für Ulrich Eifler sind Porträts der wichtigste Teil seines fotografischen Schaffens. Diese Arbeiten sind fast ausschließlich in Schwarz-Weiß, klar und streng komponiert. Nur selten sind es Äußerlichkeiten, die ihn zum Fotografieren veranlassen. Es sind Liebe und Freundschaft, es sind soziale Gründe, immer aber eine gewisse Sympathie. Und immer steht die Authentizität bei der Fotografie für ihn im Vordergrund. Deshalb ist ihm die Arbeit mit einer analogen Kamera, mit seiner Leica, wichtig. So weit es geht, verzichtet er auf künstliches Licht. Blitzen kommt für ihn gar nicht in Betracht. Schließlich entwickelt er seine Filme selbst und vergrößerte Aufnahmen auf Baryt-Papier. „Denn auch die Fotografien wollen ihre Aura haben“, so Ulrich Eifler.

Die Berliner Besucher seiner Ausstellung waren begeistert.


Friedrichshainer Chronik, August 2011

Szeneladen für Träumer und Nachbarn

Ein Schild am Fenster warnt: »Jalousien bitte nicht bis zum Anschlag hochziehen!« Das Dutzend Grünpflanzen in den Blumentöpfen gibt sich genügsam und wuchert nicht sehr üppig. Und auf den Kaffeetassen steht Palast der Republik oder MITROPA –Relikte aus einer fernen Epoche. »Ein cooler Szeneladen sieht anders aus, ich weiß«, sagt mit feiner Selbstironie Frank Zielske, der seit März 2009 die Geschicke des RuDi Nachbarschaftszentrums am Rudolfplatz lenkt. Dann zeigt der 51jährige auf den Fußboden und erzählt, daß am nächsten Tag neues Laminat verlegt wird, finanziert durch private Spender. Der alte textile Fußbodenbelag ist nämlich nach sechs Jahren in einem bemitleidenswerten Zustand, strapaziert von Tausenden Besuchern. Allein an diesem Vormittag beispielsweise trafen sich hier im Veranstaltungsraum zwei Dutzend Frauen und Männer zum »Senio­rensport«, bevor sich 50 Kindergartenkinder beim Puppentheater köstlich amüsierten. Und fast gleichzeitig wird die Hausausstellung gewechselt, die Bilder des singhalesischen Malers Kumara Kariyawasam werden ab- und neue aufgehängt. Titel der neuen Exposition: »Prome­theus­mappe 1982« – übrigens 1982 vom Kulturbund der DDR in Auftrag gegeben, dann aber unter Kuratel gestellt. Somit werden in der RuDi-Galerie erstmals Werke zum Thema von Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer oder Nuria Quevedo öffentlich gezeigt, wie auch Texte von Volker Braun, Helmut Preißler und Heiner Müller. Eine kleine Sensation im Stralauer Kiez.

Begonnen hatte alles Anfang der 90er Jahre. Die »Wende« war für viele der rund 5.000 Einwohner im Wohngebiet einem Erdrutsch gleichgekommen. Mit den umliegenden Großbetrieben waren mehr als 15.000 Arbeitsplätze weggebrochen – vom Osthafen über Kühl­automat, Bremsenwerk und Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) bis zu NARVA/VEB Berliner Glühlampenwerk. Mit den Produktionsbetrieben verschwanden auch Sport- und Kulturangebote, allein NARVA veranstaltete nicht nur den berühmtesten Karneval in Ostberlin, sondern bot in seinem Kulturhaus auch über 100 Arbeitsgemeinschaften und Zirkeln Platz. Auf dieser sozialen Brache entstand an der Ecke Persiusstraße/Markgrafendamm ein kleines Kulturcafé, in dem Kinder und Jugendliche ihre Freizeit verbringen konnten, in dem es Lesungen gab und Vorträge. Die zarten Triebe von Kiezkultur wurden dann am Rudolfplatz weiter gepflegt, in einem ehemaligen Gemüseladen, bei dessen Renovierung ein alter Backofen zum Vorschein kam, wie sich Eberhard Tauchert erinnert, der von 1995 bis 2005 die gute Seele von RuDi war.

Mit dem Berlin-Brandenburger Bildungswerk als gemeinnützigem Träger im Rücken, der u. a. auch die MAE-Arbeitsplätze der Mitarbeiter finanziert, entwickelte sich RuDi von einem Kinder- und Jugendtreff zu einem Treffort für alle Generationen, von 8 bis 80. So schloß sich dem Kiezladen eine äußerst aktive Seniorengruppe an, die ältere Bürger im Wohngebiet unterstützt; die Zwingli-Kirche wurde mit Kulturveranstaltungen erstmals wieder nach langem Dornröschenschlaf zum Leben erweckt; Kiezfeste für Jung und Alt wurden organisiert; Kinder bemalten den riesigen Bauzaun, der NARVA-City während der Sanierung umschloß. Von Anfang an lebt die Galerie, offen für die unterschiedlichsten Genres, in der nicht nur Künstler aus Friedrichshain oder Stralau ihre Arbeiten präsentieren, sondern auch Berühmtheiten wie Walter Womacka oder Manfred Bofinger ihre Werke ausstellten. Die bekannte Schauspielerin Ursula Karusseit war hier zu Gast, und Stefan Heym hatte bei RuDi seine letzte Lesung vor seinem Tod, erzählt Eberhard Tauchert. Kontinuierlich werden außerdem Schreibwerkstätten veranstaltet, und seit über sieben Jahren findet der Ostkreuz-Schreibwettbewerb statt, dessen beste Arbeiten jeweils in einer Anthologie vorgestellt werden, gedruckt und gebunden. Titel des jüngsten Buches: »Die Träumer vom Ostkreuz«. Neben Theaterwerkstatt, Gitarren- oder Yoga-Kurs, die sich zum Teil selbst finanzieren, finden bei RuDi seit jeher aber auch Bürgerversammlungen und Foren statt, in denen die städtebauliche Entwicklung im Kiez diskutiert wird, wie auch Selbsthilfegruppen entstehen, beispielsweise der Bürgerverein Obelisk, das Internet-Journal KultStral oder das Internet-Radio Stralau Bürger senden für Bürger.

Das Inspektorenhaus an der Ecke Modersohn-/Corinthstraße, in das der Kiezladen 2004 umzog (siehe Friedrichshainer Chronik, Mai 2010: Die Orte), entwickelte sich zudem zu einer Hochburg sozialer Dienstleistungen: Regelmäßig gibt es professionelle Beratung zu Wohnungs- und Mietfragen, zu Renten, Gesundheit, Hartz IV und Jobangeboten. So nach und nach ist RuDi aus den Kinderschuhen und über sich hinaus gewachsen. RuDi ist vieles in einem: Kleinkulturhaus, Begegnungsstätte, Festveranstalter, Familientreff, Beratungsstelle, bürgerbewegender Initiator und Organisator, kommunalpolitische Drehscheibe und Motor der Quartiersentwicklung. »Das alles wäre ohne die starke Bürgerbeteiligung nicht möglich gewesen«, betont Frank Zielske. »Das Publikum ist mit dem Haus mitgewachsen und nachgewachsen.« Und er verrät das Erfolgsgeheimnis vom RuDi-Nachbarschaftszentrum: »Ein Mach-mit-Haus mit Nachbarn für Nachbarn.«

Und wie zur Illustrierung hängt in der aktuellen Prometheus-Ausstellung ein Gedicht von Uwe Berger, indem es heißt: »Verlassen uns / nur auf uns selbst / und nicht auf die Götter / des Himmels und der Erde, / ohne die Unmenschlichen / sind wir stark ...«

Thomas Heubner


Friedrichshainer Chronik, September 2011

BOFINGER

Zweifellos zählte Manfred Bofinger, der auf dem Friedhof Stralau begraben ist, zu den bedeutendsten und besten Grafikern der DDR. Als Autodidakt zur Karikatur gekommen, arbeitete er als Grafiker, Cartoonist und Buchillustrator, veröffentlichte regelmäßig im Satireblatt Eulenspiegel und in der Kinderzeitschrift Frösi. Er illustrierte über 300 Bücher, erfand selbstBildgeschichten, darunter viele für Kinder. zum 70. Geburtstag von Manfred Bofinger gibt es in Friedrichshain gleich zwei Ausstellungen zu bewundern: Die Galerie der Berliner Graphikpresse in der Gabelsbergerstraße zeigt Zeichnungen, Buchillustrationen und Karikaturen, und am 6. Oktober liest der Schauspieler Alexander Bandilla aus Büchern von Manfred Bofinger. In der Ausstellung des RuDi-Nachbarschaftszentrums kann man sich davon überzeugen, daß Tiermotive eine besondere Rolle im Bofis Schaffen spielten. Der Künstler nutzte die Artenvielfalt der Tierwelt, um im Vergleich und mit einem Augenzwinkern typische menschliche Charaktereigenschaften zu karikieren und um humorvolle Alltagsgeschichten zu erzählen. Zur Vernissage am 1. September, 19.30 Uhr, hält der Karikaturist F. W. Bernstein eine Laudatio, die musikalische Untermalung übernimmt der Musiker Til Schwabenhauer am Saxophon.
Manfred Bofinger - Zeichnungen, Buchillustrationen und Karikaturen, ab 8. September, Lesung mit Alexander Bandille am 6. 10., 19 Uhr; Galerie der berliner Graphikpresse, Gabelsbergerstraße 6,
Tel. 030/420 124 40;
"Bofis bunte Tierwelt", 1. September - 4. Oktober, Galerie im Kiez im RuDi Kultur- und Nachbarschaftszentrum, Modersohnstraße 55,
Tel. 030/29 29 603


Berliner Woche - Ausgabe 42/2011


Berliner Woche vom 2. November 2011