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Kultur- und Nachbarschaftszentrum

Das Jahr 1999

Neues Deutschland – Berliner Ausgabe – 10.11.1999

Stralauer wehren sich gegen "Dreiteilung" Arbeitsgruppe gegen Autobahn-Plan für Ostkreuz
Von Hans-Jürgen Neßnau

Die Bewohner im dicht besiedelten Stralau und im nördlich angrenzenden Stadtteil sind in Sorge. Sieht doch der Bundesverkehrswegeplan die Weiterführung des Berliner Autobahninnenstadtringes über Neukölln, Treptow, Friedrichshain, Lichtenberg, Weißensee, Prenzlauer Berg bis Wedding vor. Für den Streckenabschnitt "Ostkreuz2 wurde dem Senat die "Planungsvariante 4 h" von der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft "Wasserstadt GmbH" unterbreitet. Danach würde der Autostrom durch dicht besiedelte Gebiete Friedrichshains und in einem zweistöckigen Tunnel unter dem Bahnkörper bis zur Frankfurter Allee geleitet werden. Konzipiert ist eine Zu- und Abfahrtsspinne, die den Stadtteil Stralau in drei Stücke teilt und die Wohn- und Lebensbedingungen unerträglich verschlechtern würde. Auf einer Stadtteilkonferenz wurde die Arbeitsgruppe "Infrastruktur und Verkehr" beauftragt, Widerspruch bei den zuständigen Stellen einzulegen. Denn Politiker würden oftmals beim Gespräch mit den Betroffenen technische Dinge vorschicken, sich über menschliche Belange hinwegsetzen, sagte Arbeitsgruppenmitglied Horst Buerschaper dem ND. Schon fünf Jahre werde Stralau durch Bauarbeiten zur Gesamtberliner Trassenführung für Gas, Strom und Heizdampf gepeinigt. Seit zwei Jahren sei man aber auch dabei, sich aus der Agonie herauszuarbeiten und zu neuen nachbarschaftlichen Aktivitäten zu finden. Da hinein, so Buerschaper, platzte die Planungsvariante 4 h mit Autobahnzubringer und -kreuz der "Wasserstadt GmbH". Nach Protesten der Anwohner will sie jetzt eine andere Lösung für die Ab- und Zufahrt suchen.
Auf Grund der territorialen Gegebenheiten durch die Spree und S-Bahn werde der Verkehr förmlich zum Ostkreuz hinkanalisiert, gibt Ingo Witzmann, Sprecher der Bürgerinitiative, zu bedenken. Wer es sich einigermaßen leisten kann, ziehe weg. Wohnungsleerstand, Verfall und Verslumung drohten, ergänzt Buerschaper. Er verweist auf eine Folge, die nach der Fertigstellung des Innenstandringes nicht nur Stralau belasten wird. Truckfahrer, die aus Südwest-Polen, Tschechien und Südost-Sachsen kommen und nach Hamburg, zu den Skandinavien-Fähren in Lübeck oder Rostock wollen, werden nicht mehr den Autobahnring um Berlin herum nutzen, sondern den Zubringer von Schönefeld, den Innenstadtring und von da die Hamburger Ausfahrt über Tegel nach Norden.
Ein Argument der Befürworter der Autobahnplanung für das Ostkreuz sei jedoch nicht zu entkräften, räumt Buerschaper ein. Der Senat spart dabei - denn Bundesautobahnen bezahlt der Bund. Eine städtische Hauptstraße würde sicherlich ausreichen, um den Verkehr dort aufzunehmen. Doch die müsste das Land Berlin bezahlen.
Obwohl der Baubeginn erst für 2007 vorgesehen ist, gibt es jetzt schon Zeitdruck. Die Deutsche Bahn AG muss schnellstens den gesamten Bereich Ostkreuz sanieren. Den Ausbau zu einem modernen Knotenpunkt für den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr unterstützt auch die Bürgerinitiative. Vor Beginn der Gleisarbeiten braucht sie eine Entscheidung darüber, ob, wie und wieweit sie Vorbereitungen für eine Weiterführung der BAB 100 -speziell für den Bau des zweistöckigen Autobahntunnels - in ihre Planungen einbeziehen muss und welche Finanzmittel der Bund für diese erheblichen zusätzlichen Baumaßnahmen zur Verfügung stellt. 27 Millionen Mark stellte das Verkehrsministerium in Aussicht. Fließen diese Bundesmittel, ist die Trassenführung der Stadtautobahn wohl "zementiert".
Das Planfeststellungsverfahren für den Umbau des Bahnhofs Ostkreuz (das wäre auch letzte Einspruchsmöglichkeit der Anwohner) sollte bereits im Herbst 1999 durchgeführt werden: Es sei auf Anfang 2000 verlegt worden, teilte Sven-Erik Baer von der Projektierungsgruppe "Deutsche Bahn AG - Projekt Knoten Berlin" auf Anfrage mit. Noch 1999 werden die Planungsunterlagen eingereicht.


Abendblatt Friedrichshain – 08.09.1999

Kunterbuntes Straßenpflaster

Große Malaktion beim Kiezfest in der Oberbaum City zwischen Rother- und Ehrenbergstraße: Mädchen und Jungen aus den umliegenden Kitas verwandelten das graue Straßenpflaster in ein kunterbuntes Straßenbild. Anschließend kürte das Team von Rudis Kiezladen dann die Sieger unter den kleinen Künstlerinnen.


Oberbaum Cita - SIRIUS - Immobilien- und Projektentwicklungs GmbH

EINLADUNG Zum 3. Anwohnerfest In der Oberbaum City am 3. September 1999

Liebe Anwohner der OBERBAUM CITY – Hallo Nachbarn!

Es ist wieder soweit. Der fast schon "alten Tradition" folgend möchten wir das 3. ANWOHNERFEST am 3.9.1999 gemeinsam mit Ihnen feiern.
Nachdem das letzte Anwohnerfest Ihnen sicherlich noch in angenehmer Erinnerung ist, möchten wir auch in diesem Jahr DANKESCHÖN sagen für Ihre Geduld und Ihren guten Willen, die Belästigungen, den Lärm und den Staub, den eine so große Baustelle nun einmal unvermeidlich mit sich bringt, zu ertragen. Aber es gibt ja auch deutliche Fortschritte, u. B. die inzwischen fertiggestellte Ampel für eine sichere und bequeme Zufahrt auf das Areal oder die Buslinie und das fertiggestellte Gebäude 4.
Gebäude 3 wird im Frühjahr 2000 fertig. Es setzt sicher einen Glanzpunkt im Bereich der OBERBAUM CITY und damit haben dann auch der Lärm und der Staub vorläufig ein Ende.
Um Ihnen die OBERBAUM CITY von ihrer schönen Seite zu präsentieren, laden wir Sie und Ihre Kinder ein, sich auf unserem gemeinsamen Fest zu vergnügen, zu unterhalten oder auch zu diskutieren und sich über das neueste Baugeschehen zu informieren- Ihre Eintrittskarten für das Fest liegen - wie im letzten Jahr - in "RUDIs KIEZLADEN" am Rudolfplatz 5 für Sie bereit.
Wir freuen uns auf Ihr Kommen.


Berliner Zeitung – 15./16. Mai 1999

Friedrichshain "Wir brauchen eine Allianz gegen den Verfall"

Der Filmregisseur Martin Wiebel will den von seinem Urgroßvater gegründeten Stralauer Kiez beleben

"Wenn der Berliner Durst hat, wartet er, bis eine Wasserleitung gelegt wird. Solange sitzt er und meckert" Martin Wiebel

Von Karin Schmidl

Viele meinen, er passe nicht in den Kiez. Als wohlsituierter Hauseigentümer mit erfolgreichem Lebenslauf wäre er besser in Wilmersdorf aufgehoben. Doch Martin Wiebel, 56, langjähriger Filmproduzent beim WDR, jetzt Firmen-Inhaber und Professor in Ludwigsburg hat sich für den Stralauer Kiez entschieden. Im vergangenen Oktober zog er in jene Wohnung im Haus Rotherstraße 3, in der er 1943 geboren wurde. Im Mai 1945 musste die Familie aus der Wohnung raus, weil Berlins Stadtkommandant Bersarin einzog. Jetzt wohnt Wiebel wieder in einem der Häuser, die sein Urgroßvater, der Fabrikant Maximilian Koch, um die Jahrhundertwende als gutbürgerliche Siedlung errichten ließ. Zwei Häuser erhielt er als Erbe der Alteigentümer zurück.

Spitzenplatz in der Armenstatistik
Als Wiebel das Haus übernahm, war es heruntergekommen wie viele in der Nachbarschaft. Das Karree zwischen Stralauer Allee, Warschauer Straße und Markgrafendamm zählt nicht zu Friedrichshains Vorzeigevierteln. In der Statistik über Armut und Arbeitslosigkeit hält es den Spitzenplatz. Dreck, Verkehr und Lärm veranlassten in den vergangenen Jahren mehr als tausend Bewohner wegzuziehen. Ganze Häuserzeilen stehen leer, die Schaufenster bleiben blind. Politiker warnen vor dem "Umkippen des Kiezes".
Mit diesem Erbe will sich Wiebel nicht abfinden. Zumal nur hundert Meter entfernt die Oberbaum City boomt. Dort entsteht aus dem alten Osram- und Narva-Industriegelände ein denkmalgetreu restauriertes Kleinod, das vor allem sogenannte Kreative wie Werbeexperten und Designer anziehen soll. "Wir können nicht zulassen, dass gleich daneben eine Brache existiert", sagt Wiebel. Deshalb will er eine "Allianz gegen den Verfall". Anfang des Jahres appellierte der Professor an andere Hauseigentümer und Verwalter, gemeinsam etwas zu tun. Elf Eigentümer, die für 15 Häuser verantwortlich sind, gründeten die "Interessengemeinschaft Oberbaum". Gemeinsam mit Leuten vom benachbarten Kiezladen "Rudi" am Rudolfplatz arbeitet Martin Wiebel auch in der jüngst gebildeten Anwohner-Initiative "SOS" ("Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit"). Erste Ergebnisse sind zu sehen. So musste ein Bordell, das den Ruf des Viertels weiter ramponierte, wegziehen. Auch mit der Berliner Stadtreinigung stritt sich de Filmprofessor herum: Unter Androhung ausbleibender Zahlungen zwang er die BSR, ihre Pläne einzuhalten und zweimal die Woche die Straßen zu kehren. Seither, das finden auch die Nachbarn, ist es spürbar sauberer. Dort, wo früher das Bordell war, kann man jetzt Lebensmittel einkaufen: Der Hauseigentümer überließ dem Händler den großen Laden zum kleinen Mietpreis.
Kiezladenchef Eberhard Tauchert schätzt Wiebels Engagement. "Er könnte mit seinem Enthusiasmus einige aus ihrer Lethargie reißen", sagt er. Denn es reiche nicht, wenn die schlimmen Zustände nur immer wieder beklagt würden.
Martin Wiebel möchte, dass mehr jüngere Leute ins Viertel ziehen. Leute, denen die Wohnungen in Mitte zu teuer sind, die aber trotzdem citynah leben möchten. Bislang ziehen solche Wunschmieter eher an den Boxhagener Platz - dort gibt es Kneipen und interessante Läden. Ideen, den Stralauer Kiez zu beleben, hat Wiebel genug. Dass es noch an Mitstreitern mangelt, wundert ihn nicht: "Wenn der Berliner Durst hat, wartet er, bis eine Wasserleitung gelegt wird. Solange sitzt er und meckert." Zehn Rotdornbäume, die von Hauseigentümern des Viertels spendiert wurden, stehen jetzt entlang der staubigen Rotherstraße. Am vergangenen Wochenende wurden sie gepflanzt. Baumpaten sind Bewohner. Sie haben sich bei Wiebel gemeldet, der auf Zetteln überall im Wohngebiet um Pflegehilfe für die Bäume gebeten hatte. Jetzt will der Urenkel des Kiezgründers die Geschichte des Viertels aufschreiben. Dafür braucht er vor allem Erinnerungen von Zeitzeugen und viele Fotos.


Neues Deutschland – Berliner Ausgabe – 13.01.1999

Strandlandschaft im Kiez

"Rudi" zeigt Bilder von Dagmar Glaser-Lauermann Von Almut Schröter

Bilder von Strand und Meer zu zeigen, das macht sich in Berlin immer gut. Bis in den Februar hinein können sich Besucher des Stralauer Kiezladens "Rudi" am Friedrichshainer Rudolfplatz in Motive von der Ostsee vertiefen. 21 Aquarelle von Dagmar Glaser-Lauermann sind dort ausgestellt.
Blauen Horizont gibt es auf den Bildern der Malerin nicht. In ihren Darstellungen ist der Himmel immer verhangen und gemeinsam mit dem Wind damit beschäftigt, neues Wetter einzuleiten. Die Malerin ist bekannt in Berlin, stellte hier schon in verschiedenen Galerien aus. Von ihr stammte beispielsweise die Wandkeramik "Die Früchte unserer Erde" im früheren Centrum-Kaufhaus am Alex. Beim jetzigen Besitzer Kaufhof war - nach den gründlichen Umbauten - von dem Kunst-Stück gestern nichts mehr bekannt. Dafür sind die Flure einiger Berliner Kitas weiterhin durch farbenfreudige Wandkeramiken der Künstlerin geschmückt, die jahrzehntelang den Malereizirkel bei Narva leitete. Das ist nur schon die 34. Ausstellung der kleinen Galerie von "Rudi", die der Kiezladenleiter Eberhard Tauchert für die Leute aus der Gegend zeigt. Hier am Rudolfplatz sind mitunter auch kleine Konzerte zu hören. Tauchert sieht sich dafür im Kiez um. Vor allem Künstler, die hier wohnen, sollen sich präsentieren können. Tobias Morgenstern von L'art de Passage spielte hier und half, das nun jährlich wiederkehrende in Berlin einzigartige Akkordeonfest des Bezirkes ins Leben zu rufen.
Ansonsten bietet der Kiezladen verschiedenste Veranstaltungen für Menschen unter 10 und über 20 Jahre, Kurse, Sprechstunden und kleine Stadtwanderungen. Eberhard Tauchert erkundete immerhin zehn unterschiedliche Touren, auf denen er Stadtspaziergängern allerhand über alte und technische Bauten der Gegend zu erzählen weiß.