Berlin, die Stadt mit ihren interessanten Straßen und den darin verwobenen Geheimnissen zieht viele Abenteuerlustige aus der ganzen Welt magisch an. Sommer wie Winter rücken die Touristen in Scharen mit dem Auto, dem Zug, auch mit dem Flugzeug, mit dem Fahrrad oder sogar per Fuß an, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt in sich aufzunehmen. – Um dann bei der Rückkehr in ihre Heimatorte darüber zu berichten, was es hier alles so anderes in der Hauptstadt Berlin zu sehen, erleben oder gar zu ärgern gab. Die Berliner Straßen sind voll von optischen Reizen und laden dazu ein, sich mit den gewollten, ungewollten und versehentlichen Hinterlassenschaften anderer Menschen oder Tiere auseinanderzusetzen. Da gibt es „Zweibeiner", die keinen Sinn für Ordnung und Sauberkeit haben oder kennen – und das in dieser quirligen Stadt! Und jene, die von Amts wegen alles regeln und im „Griff" haben müssen. Dann noch die vielen „Vierbeiner", die eine eklige weiche, auch knödelige, breiige oder zur Schnecke aufgetürmte Hinterlassenschaft ihres Verdauungstraktes ungezwungen und wahllos auf dem Bürgersteig absetzen, sozusagen als „Tretminen".
Auch „stumme Diener" gibt es, vereinzelt verteilt auf den Fußgängerwegen, an Laternen befestigt, in Parks, in Freizeitstätten, in Bahnhöfen, an Haltestellen, eben an zentralen Standorten, die sogenannten „Müllbehälter", die der spontanen Entsorgung von persönlichem „Kleinstmüll" dienen. Die, leider, von vielen Menschen dieser Stadt zu wenig genutzt werden. Weil sie zu hoch angebracht, ihre Öffnung zu klein ist, oder nicht genügend sichtbar gemacht wurden, so dass sie dem eigentlichen Nutzer nicht auffällig sind ...
Früher gab es die Straßenkehrer, gelegentlich auch heute noch. Sie haben die breiten Besen, die achtlos fallengelassene persönliche Überbleibsel von irgendwas im Eiltempo zusammenkehrten und entsorgten. Immer im Frühjahr, um restlichen Splitt vom Winter zusammenzukehren und im Herbst zur Laubentsorgung. Trotzdem lässt die Reinheit auf den Straßen immer wieder zu wünschen übrig, besonders angesichts leerer Haushaltskassen der Kommunen. Wir hätten eine Bewegung wie „Mach mit! Mach sauber die Städte und Gemeinden!" dringend nötig! ... Ich beginne zu träumen. ... Auch das wird's mal wieder geben, wie so vieles aus der Vergangenheit sich wiederholt, wenn es darum geht, dem Bürger ein Ehrenamt oder eine Spende abzuverlangen...
... Heute, am Dienstag dem 26.2.13, in aller Frühe, bot sich mir ein unglaubliches Erlebnis. Und ausgerechnet jetzt, in diesem Moment, wo sich mir so eine tolle Story bietet, liegt der Fotoapparat auf der „faulen Haut" in meiner gerade nicht genutzten Tasche herum. ...
... Nichts Außergewöhnliches ahnend, bog ich um die Ecke, aus der Modersohnstraße kommend, in die Corinthstraße ein und begegnete, auf einem Kellerfenstersims liegend, drei verlorengegangenen Handschuhen. Ein ordnungsliebender Passant oder ein anderer liebenswerter Mensch, dem die drei Objekte leid taten, hatte den Wunsch, die Fundsachen vor der Vernichtung zu bewahren, in der wahrscheinlichen Hoffnung, der Besitzer möge sie finden. Er/Sie drapierte die „Drei" hübsch auf die höher gelegene Fläche, sichtbar für Vorbeieilende. ... Sehr löblich, dachte ich so vor mich hin ...
... Doch dann, ich traute meinen Augen nicht – lagen da noch in kurzen Abständen weitere herren-, frauen- und kinderlose Handschuhe über den Fußgängerbereich entlang der Corinthstraße verteilt, herum. ... Mal rechts und mal links des Weges. Dieser Anblick bot sich bis zum Markgrafen Damm. Gelegentlich, bestimmt ebenfalls von irritierten, vorbeigehenden Passanten – konnte man erahnen – wurde aus einem rechten und linken Handschuh ein neues Pärchen gebildet ... der Anblick war anrührend...
... Diese Begegnung mit den einzelnen Handschuhen, den verlorenen, den einsamen, den verdreckten und eventuell noch warmen Exemplaren regte mich an, sie als Fotoobjekt zu betrachten. Also holte ich meinen langjährigen Begleiter, den „Digitalen", um diesen Anblick zum Winterausklang im Bild festzuhalten. Mir kam dabei in den Sinn, jeder Handschuh könnte seine eigene Geschichte erzählen – nämlich die über seine Herkunft – den Produzenten, den Käufer, den Träger, den Beschenkten und letztendlich den Verlierer. ...
Mir kam da so eine persönliche Theorie, die lautet so: Alle verlorenen Handschuhe gehören Passanten mit einem Fahrrad, mit oder ohne Kind, die den Fußgängerbereich der Straße als ihre persönliche Rennstrecke benutzt haben könnten und dabei unachtsam mit ihrem Schutzutensil umgegangen sind ... werden sie ihren rechten oder linken Handschuh vermissen?
Nachfolgend zur Erinnerung einen letzten Gruß an die Besitzer des Winterzubehörs 2013!
Viele Grüße, Gisela vom Ostkreuz