Ein Theaterabend in den Kammerspielen mit Inge Keller
Lange haben meine Freundinnen und ich auf den Genuss, die Grande Dame der Schauspielkunst Inge Keller im Monolog des Stückes „Tilla" zu erleben, warten müssen. Mein erster Anlauf im Dezember schlug fehl. Die Aufführung wurde kurzfristig abgesagt. Inge Keller war durch einen Sturz außerstande, ihren Auftritt zu verwirklichen. Aber dann, am 11. Januar 2013, hatte das Warten ein Ende. In der ausverkauften Vorstellung war ich eine unter vielen gespannten Zuschauern.
Der letzte Klingelton verstummte, das Licht im Theatersaal wurde gedimmt und aus dem Dunkel erklang „ ...hallo? hallo, ist da jemand?" Langsam richtet sich ein Scheinwerfer auf die Gestalt von Inge Keller. Da sitzt sie, hübsch drapiert, elegant, etwas divenhaft neben einem großen Blumenstrauß – und ihre dunkle Stimme beginnt mit dem Monolog – „Mein Gott, eben war ich noch der Mittelpunkt, und jetzt? Haben wohl alle viel zu tun."
... Kein Laut war vernehmbar, außer der Stimme von Inge Keller. Beeindruckend, wie schön sie noch ist und ihre 89 Lebensjahre durch ihr großartiges, schauspielerisches Talent vergessen lässt.
„Tilla" von Christoph Hein ist ein Monolog der Erinnerungen von Tilla Durieux. Voller Liebe blickt „Tilla", die einst hochgefeierte Diva, auf ein 91-jähriges Leben zurück, reich gefüllt mit Ereignissen. Es werden dabei Einblicke in ihr bewegtes Leben möglich, die die Höhen und Tiefen zeigen und die Erlebnisse der Jahre mit dem berühmten Kunstmäzen und Verleger Paul Cassirer beschreiben.
Die wunderbare Inge Keller ließ den Theaterabend zu einem großen Ereignis werden. Das minimalistische Bühnenbild bot freien Raum für eigene Fantasien. Auf einer Drehbühne befand sich ein gelegentlich wehender weißer Vorhang – dieser unterstützte gewollte Gedankensprünge. Er bot dem Spielpartner Raum für das Wechseln der Requisiten. Bernd Stempel umsorgte sie liebevoll und verkörperte bisweilen Paul Cassirer. Sie saß diszipliniert auf einer Jugendstilcouch und las die Erinnerungen der „Tilla", als wären es die eigenen. Den Klangreichtum ihrer Stimme setzte sie gekonnt ein – wie ein mit vielen Instrumenten gespieltes Stück. – So erhielt die Inszenierung ein lebendiges Gesicht. Beeindruckend waren die Passagen, die sie frei sprach, mit minimaler Mimik zierte und sparsamen Gesten begleitete.
Mit langanhaltendem Applaus dankte das Publikum der Künstlerin.
Wehmütig werden wohl die meisten den Gedanken nach Hause getragen haben, dass dieses wohl auch ein wenig Abschied gewesen sein könnte von den großen Rollen der Inge Keller.
gabra